Die Wahlkampfblase und das böse Erwachen

Gestern äußerte sich ein grüner Spitzenpolitiker im Inforadio des rbb, dass er eigentlich erstaunt sei über das schlechte Abschneiden der Grünen. Auf den Wahlveranstaltungen habe er doch immer wieder positive Rückmeldungen von den Menschen erhalten. Die Themen der Grünen hätten die Menschen nach seinem Erleben also angesprochen.

Diese Formel kann man sehr oft vernehmen. Immer wieder äußern prominente Wahlkämpfer, dass sie bei den Bürgern Anklang finden würden. Was sie aber nicht dazusagen, ist, dass diese Großveranstaltungen ja auch nur von den eigenen Anhängern besucht werden. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des deutschen Wahlkämpfens, dass man Großveranstaltungen mit Polit-Stars organisiert und dann Busse voller Mitglieder und Sympathisanten herankarrt, um die Halle oder den Platz zu füllen. Das drückt sich dann in den „Peer“- oder „Angie“-Schildern im Publikum aus. Niemand, der sich eben mal informieren möchte über das Angebot einer Partei, dürfte solch ein Jubelschild dabei haben. Es sind eben die eigenen Leute, die da jubeln. Kein Wunder also, dass der prominente Wahlkämpfer am Ende nur freundliche Worte zu hören bekommt.

Die Frage ist nur, ob sie das auch so wahrnehmen oder ob die Überraschung über den tatsächlichen Wahlausgang doch echt ist. Falls letzteres zutrifft, sind sie in die Falle einer Filterblase getappt. Man hat sich lediglich gegenseitig auf die Schulter geklopft und fälschlicherweise geglaubt, der Parteifreund bzw. der eigene Anhänger repräsentiere zugleich die Stimmung der Bevölkerung an sich.

Bei den Grünen kommt nun hinzu, dass sie zudem noch in die Falle des positiven Denkens gelatscht sind. Hier in Berlin prangten Großflächen-Plakate mit dem Slogan „Der Wechsel ist machbar, Herr Nachbar“. Optimismus pur. Unmöglich gibt es nicht. Man hört förmlich die Beschwörungen der für dieses Plakat verantwortlichen Werbefuzzis, doch eine positive Botschaft an den Wähler vermitteln zu wollen. Positivaussagen sind ja das Geschäft der Werbeleute. Sie vermeiden Differenzierung, es darf kein „ja, aber“ aufs Plakat. Sie preisen Vorzüge an. Immer schwingt auch der missionarische Eifer der positive thinking Kultur mit: Alles geht, wenn Du es nur willst. Tschaka! Der leisteste Zweifel wird als defätistisch angesehen. Das könnte den Wähler, das sensible Wesen, verschrecken und deprimieren.

Aber dieser Slogan vom möglichen Wechsel wirkte angesichts der Umfragen geradezu lächerlich. Es war deutlich erkennbar, dass Rot-Grün keine Perspektive haben würde. Und so wirkte das Plakat ebenso aufgesetzt wie häufig die Lifestyle-Missionare und die Berufsoptimisten unter den Coaches und Beratern, die zwanghaft noch in jedem Elend großen Glanz erkennen wollen.

Doch wen sollte das überzeugen? Die Machbarkeit eines politischen Wechsels darf man nicht einfach als ungefähre Hoffnung behaupten. Man muss – das gehört zur Führung – auch Wege zeigen, wie der Wechsel praktisch realisiert werden kann. Nur das hat kein Plakat der Grünen zum Thema gemacht. Offenbar konnten sich die Werbefuzzis mit ihrer Annahme durchsetzen, dass es allein auf die Stimmung ankomme. Stimmung wäre aber nur aufgekommen, hätte es eine reale Machtoption gegeben. Und wie die „Nachdenkseiten“ richtig feststellen, haben weder SPD noch Grüne dargelegt, welche Option sie sehen. Der kühl rechnende Wähler konnte jedenfalls keine ausmachen. Das aber haben die Wahlkämpfer von Rot und Grün nicht als Problem erkennen können.

Möglicherweise sind sie zu sehr in einer Filterblase gefangen. Sie kommen nicht in Kontakt mit der Bevölkerung jenseits ihrer eigenen Anhängerschaft. Und sie sind umgeben von Werbeprofis, die durch ihre Orientierung an den Praktiken des Verkaufens und medialen Inszenierens den Draht zur Politik als der Organisation von Mehrheiten verloren haben.

 

 

 

 

 

 

 

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Simulierter Journalismus

Der Anspruch der Medien, wichtige und verlässliche Informationen über die Politik zu vermitteln, wird oft nur durch rhetorische Tricks aufrechterhalten.     

Da den meisten Bürgern der direkte Zugang zur Politik fehlt, brauchen sie die Medien, um etwas über Gesetzesvorhaben und die politischen Akteure zu erfahren. Die Medien rechtfertigen ihre Preise bzw. Gebührenzahlungen durch den von ihnen gebotenen Mehrwert. Sie beanspruchen für sich, ihrem Publikum wichtige und verlässliche Informationen über das politische Geschehen zu vermitteln. Diese Informationen sollen weder auf Gerüchten noch auf reinen Vermutungen beruhen. Ihr Wahrheitsgehalt soll abgesichert sein durch methodische Recherche. Nicht immer können die Medien diesen Anspruch auch einlösen. Mal fehlen Zeit und Geld für eine echte Recherche, mal gibt das Thema nichts her. In solchen Fällen nutzen manche Journalisten rhetorische Tricks, mit denen sie einen Qualitätsjournalismus lediglich simulieren. Im Folgenden möchte ich einige dieser Tricks am Beispiel des Artikels „Graf Zahl“ aus der Süddeutschen Zeitung vom 10./11. November 2012 aufzeigen.

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Medienschelte?

In meinem letzten Telepolis-Artikel habe ich den Medien vorgeworfen, im Guten wie im Schlechten die Piratenpartei überspitzt darzustellen, um dadurch eine interessante Story zu gewinnen. Ich habe den Medien eine Teilschuld zugesprochen beim gegenwärtigen Absturz der Piraten in der öffentlichen Meinung. So etwas klingt schnell wie eine pauschale Medienschelte. Gerade von Parteivertretern kennt man das: Wenn es mal nicht so läuft, sind die Medien daran schuld. Besonders prominent vertrat am Abend der Bundestagswahl 2005 Bundeskanzler Gerhard Schröder die These, die Medien hätten gegen seine Partei gearbeitet.

Da ich mich oft über die Medien ärgere, bleibe ich medienkritisch. Ich nehme aber von einer pauschalen Verurteilung Abstand. Weiterlesen

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Podiumsdiskussion als Fotothema

Am 06. November 2012 hatte die Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum Thema Diktatur der Banken? Die Eurokrise und die „Märkte“ veranstaltet. Podiumsgast war unter anderem Jens Berger (Nachdenkseiten, Spiegelfechter). Auf seinen Auftritt war ich neugierig. Da ich meine Kamera dabei hatte, nutzte ich gleich die Gelegenheit, um exzessiv meinem Hobby zu frönen. Die Böll-Stiftung war so freundlich, eines meiner Bilder zu übernehmen.

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Die Piraten als mediales Drama

Ob die Medien die Piraten als Rebellen feierten oder gegenwärtig als Dilettanten verdammen – immer ging es ihnen vorrangig darum, die junge Partei als spannende Story zu verkaufen.

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Klick mich!

2008 hatte Stefan Niggemeier darüber nachgedacht, ob der Onlinejournalismus nicht eine Art Experiment wäre, mit weniger Qualität Journalismus zu betreiben und damit Geld zu verdienen. Ein Element dieser Strategie sei es laut Niggemeier, möglichst viele Klickstrecken zu kreieren, ungeachtet der Frage, ob diese Klickerei dem Leser beim Erschließen der Inhalte hilft oder ihm vielmehr Steine dabei in den Weg legt. An diesen Text musste ich denken, als ich dieses Interview bei Google News fand, dass der Berliner Kurier mit dem Vorsitzenden der Piratenpartei führte.

So etwas habe ich bis dahin noch nicht gesehen: Das Interview ist in eine 13-teilige Klickstrecke aufgespalten worden. Man kann immer nur eine Frage und eine Antwort lesen. Wer mehr lesen will, muss klicken und somit für die Klickrate  sorgen, die die Onlineanbieter und die Werbewirtschaft interessieren. Dabei sind weder die Fragen klug noch die Antworten des  Herrn Schlömer erschöpfend oder besonders informativ. Das Interview lohnt die Lektüre eigentlich nicht. Diese Häppchen machen niemanden satt. Der Interviewtext als Ganzes ist schon nicht mehr als ein kleiner Imbiss zwischendurch. Sicher, das ist kein Skandal gesellschaftlich bedeutsamen Ausmaßes, also kein Grund, den Untergang des Abendlandes daraus abzulesen. Aber Leserfreundlichkeit lässt sich darin auch nicht erkennen. Es ist ja nicht so, dass es kein Wissen darüber gäbe, wie man Inhalte so präsentiert, dass sie dem Auge gefallen. Der Berliner Kurier hat dieses Wissen, ganz wie Niggemeier es schon beschrieb, dem Streben nach Klickraten geopfert. Da fühlt man sich als Leser so richtig ernstgenommen.

 

 

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Das Gesetz der großen Worte – Literaturfundstück

Geschildert wird eine Besprechung in einem dänischen Ministerium. Eine Medienkampagne ist geplant. An der Sitzung nehmen der Minister höchstselbst, der Chef der Werbeagentur und der Chef einer Hilfsorganisation teil. Geschildert wird das Geschehen aus der Sicht eines Ministerialbeamten:

Normalerweise hatten Treffen wie diese eine fast gesetzmäßige Tendenz zu scheitern. Grund dafür war das Gesetz der großen Worte, […] Es beschrieb das Phänomen, das auftrat, wenn sich bedeutende Männer von Angesicht zu Angesicht begegneten und aufgrund ihrer mangelnden Sachkenntnis ein Gespräch auf derart allgemeinem Niveau führten – mit so großen Worten- , dass sie eine scheinbare Einigkeit auf der rein grammatikalischen Ebene erzielen konnten, während die wirklichen Meinungsverschiedenheiten unberührt blieben und an die nachrangigen Beamten weitergegeben wurden, deren Los  es anschließend war, die Beschlüsse der bedeutenden Männer umzusetzen.“

Vielleicht kommt das jemandem bekannt vor? 😉 Weiterlesen

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„Geschlossenheit“ und Parteidisziplin als Systemzwänge

Ich habe für Telepolis einen Artikel geschrieben über über die Parteidisziplin, die aus der medialen Beobachtung von Politik folgt. Diese Disziplin nutzt wiederum Führungsvertretern, sich in ihren Ämtern zu halten, auch wenn sie eigentlich von der Mitgliedschaft längst abgelehnt werden.

Mehr dazu gibt es hier: Die Partei als Kartenhaus

Politik gilt vielen Menschen als „schmutziges Geschäft“. Kritik an der Politik kann stets auf Beifall hoffen. Besonders beliebt ist die Darstellung jener „da oben“ als moralisch verkommene Subjekte, die sich mit Lug und Trug ihren persönlichen Vorteil sichern. Ein Teil dieser hinterhältigen Praxis ist es dieser Sichtweise zur Folge, vor Wahlen den Wählern das Blaue vom Himmel zu versprechen. Politik sei eine „Show“, wird oft gesagt. Wer sich die Praxis anschaut, ist verlockt, diesen Urteilen zuzustimmen: Langweilige Parteitage feiern die Parteiführung. Die Wahlen sind vorhersehbar, für das Amt des Parteivorsitzenden gibt es meistens nur einen Kandidaten. Auch für die anderen Posten sind die Mehrheiten schon vorab organisiert worden. Echten Streit erlebt man selten vor laufenden Kameras. Man gibt sich harmonisch und „geschlossen“. Stimmt es also, dass Politiker in der Masse unehrliche Charaktere sind?

Die Antwort lautet: Nein. Zumindest ist die Moral nicht die wesentliche Erklärung für ihr Tun. Politiker verhalten sich den Umständen entsprechend vernünftig und tun, was das klügste ist. Für die Partei. Wer nur auf die moralische Standfestigkeit von Politikern schaut, missversteht die Zusammenhänge, in denen Politiker agieren. Weiterlesen

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Gauck und wie er die Welt sieht.

Das Sommerinterview des Bundespräsidenten ist nicht nur ein Lob für Merkel. Es macht auch Gaucks konservatives Gesellschaftsbild erkennbar.

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Der Mann mit dem Messer im Rücken

Wie namhafte FDP-Politiker ihren Vorsitzenden Philipp Rösler auf ihrem Bundesparteitag demontierten. Weiterlesen auf Spiegelfechter

 

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